Am 26. September lief der Film „Die Schule der magischen Tiere – Teil 3“ in den deutschen Kinos an. Ursprünglich war eine Rezension für diesen Film vorgesehen, was sich allerdings erledigte, nachdem ich beim Verlassen des Kinosaals so aufgewühlt war, dass ich stattdessen beschloss, eine Polemik zu schreiben. Warum? Aufgrund der Nicht-Qualität, welche diese Art von Kinderfilm, für welche „Schule der magischen Tiere 3“ ein Musterbeispiel ist, ausmacht. Deswegen wird hier auch die Frage gestellt: „Ist das noch ein Kinderfilm?“
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: der Wald, in welchem die Kinder gerne ihre Zeit verbringen, soll abgeholzt werden. Dagegen wollen sie protestieren und bereiten hierfür eine Tanz-Choreographie vor, welche sie am deutschen Waldtag aufführen wollen, um Aufmerksamkeit für die Abholzung der Wälder zu erregen. Dies ist mehr oder weniger der A-Plot, welcher im Vordergrund steht, zusammen mit der sich anbahnenden Liebesbeziehung zwischen den Charakteren Ida und Jo. Den B-Plot stellt hierbei dar, dass die Charaktere Helene und Silas ihre magischen Tiere bekommen. Helenes Glück wird allerdings dadurch getrübt, dass ihre Familie in einer finanziellen Misere steckt und die Stadt verlassen muss, um ihr Ansehen zu erhalten. Aus diesem Grund möchte sie mit ihrer Tätigkeit als Influencerin ihre Familie unterstützen, wofür sie allerdings auf einer Modenschau eine Choreographie aufführen muss. Das Problem hierbei ist, dass es am gleichen Tag stattfindet wie der Waldtag und sie natürlich alle Tänzer für sich gewinnen möchte. Hierdurch entwickelt sich ein mehr oder weniger interessanter Plot, welcher aus einem ersten, zweiten und drittem Akt besteht und schlussendlich alles in Wohlgefallen sich auflösen lässt, ohne jemals einen größeren Konflikt zu haben, welcher nicht nur durch die Macht der Freundschaft oder absurde Methoden gelöst werden könnte.
Auf den ersten Blick betrachtet, könnte man natürlich sagen, dass es sich hierbei einfach um einen Kinderfilm handelt, welcher zur reinen Unterhaltung von Kindern dient, wie mir auch im Kino aufgefallen ist (Ich war vermutlich die einzige Person, welche über 10, aber auch gleichzeitig unter 30 war). Allerdings hat sich mir gleichzeitig, während ich Kinder über alberne Witze lachen hörte, die Frage gestellt, ob dieser Film überhaupt für Kinder eines solchen Alters angemessen sei. Es stellt sich hier nicht die Frage nach etwas so Albernem wie der klassischen FSK, i. e. die Einschätzung eines Filmes aufgrund sexueller-, gewalttätiger- sowie angsteinflößender Szenen oder dem Konsum von Drogen. Stattdessen denke ich, dass gerade diese Kinderfreundlichkeit ihn für Kinder unangemessen macht.
Was ist damit gemeint? Das heißt, dass der Film unintelligent ist und den Kinder durchs Schauen wahrscheinlich noch etwas Schlimmeres antut, als sie potenziell zu traumatisieren: er unterfordert sie.
Denn dies ist kein Kinderfilm, der für ein Kind angemessen (im Sinne von Anspruch) wäre, sondern stattdessen davon auszugehen scheint, dass die Kinder nur einfachste Happen geistig verdauen können. Ich möchte hierbei „Schule der magischen Tiere“ mit einem anderen Kinderfilm kontrastieren, welcher (im Gegensatz zu „Schule der magischen Tiere“) international sehr bekannt ist und sich aus diesem Grund zum Vergleich anbietet: „Mein Nachbar Totoro“. „Mein Nachbar Totoro (となりのトトロ. Tonari no Totoro, 1988)“ von Hayao Miyazaki ist ein wundervoller und berührender Kinderfilm aus Japan, welchen jedes Kind gesehen haben sollte. Es ist beinahe „magisch“, diesen Film zu sehen, ähnlich wie bei den meisten Filmen Miyazakis. Das ist übrigens kein Konservatismus, der ein Zurückkehren zu alten Werten bzw. Kinderaktivitäten fordert1, sondern eher eine Forderung dazu, wieder Kinderfilme mit Themen um Kinder herum zu machen. In „Schule der magischen Tiere 3“ finden wir eine solche Kindlichkeit nicht, stattdessen wird uns ein Kinderfilm präsentiert, welcher sich absolut prätentiös in Bezug auf sein Hauptthema verhält, nämlich den Klimawandel, beziehungsweis den Umweltschutz. Es steht zwar außer Frage, dass den Umweltschutz in einem Kinderfilm zu behandeln, wichtig und richtig ist, allerdings wird dies auf eine peinliche Art und Weise gemacht. „Aber es ist doch nur ein Kinderfilm!“, wird der ein oder andere jetzt ausrufen. Dem ist entgegenzuhalten: „Ja, gerade deshalb!“, ja, gerade deshalb ist es ja so unangenehm, dass das Thema Umweltschutz auf eine solch lächerliche Art und Weise behandelt wird. Man traut den Kindern hierbei nicht zu, Kinder zu sein und selbst schlussfolgern zu lernen, dass der Umweltschutz und die Natur von großer Bedeutung sind. Stattdessen tut man richtig und wichtig, um sich so stark wie möglich damit profilieren zu können, ein Film zu sein, der Kinder dazu bringen soll, sich für die Umwelt zu interessieren. Es lässt sich natürlich generell, wenn man z.B. nicht daran glaubt, dass Kinder so etwas Komplexes wie den Umweltschutz verstehen können, fragen, warum man ein solches Thema in einem Kinderfilm behandeln sollte. Die Antwort: Damit lässt es sich rechtfertigen, einen Pseudo-Anspruch zu haben, sowie von der Filmförderung unterstützt zu werden. Dies ist vermutlich der einzige Grund. Etwas wie den Kindern die Botschaft einer Verantwortung zu vermitteln, ist im Falle dieses Films eher unwahrscheinlich. Und selbst wenn, kann man anzweifeln, ob es geklappt hat. Ich zumindest zweifle das stark an. Im Übrigen hatten wir so etwas bereits im vorherigen Teil, wo man sich bloß am Ende „Feminismus“ auf die Fahnen geschrieben hatte. Nun aber Umweltschutz.
Ganz anders ist „Mein Nachbar Totoro“. Dessen Hauptthema, ähnlich wie bei den meisten Werken Hayao Miyazakis, die Natur ist. Es geht hier insbesondere um die Zerbrechlichkeit der Natur. Auch wenn wir hier bereits in den Bereich der Interpretation gehen, kann man den Film so lesen: Zum einen haben wir die „direkte“ Natur, den Wald, sowie die Waldgeister, die Kami (神), welche uns die Kraft der Natur vor Augen führen. Zum anderen haben wir aber auch die dramatische Zerbrechlichkeit dieser, in Form der Mutter von Satsuki und Mei.2 Dies ist ebenfalls filmischer Aktivismus für die Umwelt: bloß eben weit subtiler und damit auch um Maßen intelligenter, ohne dadurch kein Kinderfilm mehr zu sein.
Ein weiterer Punkt, auf den es sich nur kurz einzugehen lohnt, ist der Soundtrack des Films. Man sieht choreographierte Tanzszenen und hört viertklassige Popmusik, wobei man sich fragt, wo die Magie eines Soundtracks wie von „Mein Nachbar Totoro“ geblieben ist. Es ist nichts, was einem im Gedächtnis bleibt, sondern im Gegenteil die Funktion von Fast Food erfüllt. Es lässt sich hierbei vergleichen mit einer Nickelodeon-Serie der letzten Jahre (es würde sich nicht lohnen, auch nur eine der zahlreichen hirnlosen Serien wie „Brot Piloten“ oder „Henry Danger“ aufzuzählen), bei denen man sich fragt, wie es sein kann, dass der gleiche Sender eine Serie wie „Avatar – The last Airbender (2005-2008)“ produzieren konnte.
Auch Milan Peschel gibt erneut seinen an den Anfang gelegten Auftritt. Er spielt den Ulkigen, welcher den Kater einfängt und hierbei einen Humor an den Tag legt, welcher Kindern gegenüber unwürdig ist.
Aber um etwas Positives zu sagen: Die schauspielerische Leistung der „jungen“ Schauspieler ist zum großen Teil sehr solide, zum Beispiel die von Emilia Maier, welche bereits in den vorherigen Filmen Ida spielte und traurigerweise nicht mehr Zeit in diesem Film bekommen hat. Nicht ganz so positiv in Erinnerung ist mir allerdings das Schauspiel von Loris Sichrovsky geblieben, auch wenn man ihm zugutehalten muss, dass ihm drehbuchtechnisch nicht viel gegeben wird. Ansonsten lässt sich meiner Meinung nach wenig Negatives über das Schauspiel allgemein sagen, das Gleiche ist über das Voice Acting zu urteilen, z.B. Katerina Thalbach, wenn man einmal über die etwas albernen Dialoge hinwegsieht.
Der Einzige, der in diesem gesamten Film keine gute Arbeit leistet, ist, verwundern tut es einen nicht, Freshtorge, ein deutscher YouTuber, welcher schon zuvor seine Fühler in die deutsche Filmindustrie ausstreckte und hierbei den YouTuberfilm „Kartoffelsalat (2015)“ produzierte. Auch in „Schule der magischen Tiere“ macht er genau das, was er auch auf YouTube macht: zu versuchen witzig zu sein. Aber ähnlich wie ein YouTube-Video von ihm ist das eher ein Versuch, welcher zu einer unangenehmen Fremdscham führt.
Ansonsten noch eine kleine Anmerkung zu den Tieren im Film: Obwohl der Film „Schule der magischen Tiere“ heißt, spielen die Tiere nicht einmal eine so große Rolle, wie sie es in den vorherigen Filmen taten. Auch wenn ich keine Zeitangaben geben könnte, hatte ich den Eindruck, dass die Tiere deutlich weniger Zeit auf der Leinwand hatten und ebenfalls eine sehr viel marginalere Rolle eingenommen haben als in den vorherigen Filmen. Wären die Tiere nicht im Film, würden nur eine oder zwei minimale Änderungen genügen und man hätte den gleichen Ausgang, vermutlich sogar den gleichen Ablauf. „Schule der magischen Tiere“ ist hier eher ein Label als eine wirkliche Beschreibung.
Schlussendlich lässt sich festhalten, dass „Schule der magischen Tiere 3“ Repräsentant eines Zeitgeistes in Kinderfilmen und auch -serien steht, welche nicht mehr in der Lage sind, kindliche Magie zu erzeugen, sondern es nur schaffen, mit hohen Produktionsbudgets mickrige Qualität zu erzielen. Dabei wird mehr Gewicht gelegt auf die Unterforderung ihrer minderjährigen Zuschauer, als einen wirklichen Bildungsauftrag für Kinder und Jugend zu erfüllen. Stattdessen werden auf „wichtige Botschaften“ und Pseudo-Progressivität gesetzt, welche die Kinder bestimmt nicht verdummt (das wäre eine zu dramatische Übertreibung, wie sie eher ein Karlheinz Deschner verwenden würde), aber dafür unterfordert.
Unterforderung ist hier genau das passende Wort: Es wird den Kindern nicht das selbstständige Denken zugetraut, geschweige denn, dass sie in der Lage zu sind, Botschaften zu interpretieren. Damit möchte ich ebenfalls dafür appellieren, dass Eltern mit ihren Kindern Kinderfilme gucken und ihnen kein cineastisches Fast Food geben, welches eine totale Reizüberflutung für sie darstellt: neben dem oben erwähnten „Mein Nachbar Totoro“ ist als Kinderfilm ebenfalls „Kikis kleiner Lieferservice (魔女の宅急便. Majo no Takkyūbin, 1989)“ zu empfehlen, genauso „Der kleine Maulwurf (Krteček, 1957-2002)“. Daneben lassen sich selbstverständlich noch viele andere Filme nennen, deren Aufzählung hier allerdings den Rahmen sprengen würde.
Bildquelle: pixabay
- Ein Beispiel für ein solches Zurückkehren zu klassischen Kinderaktivitäten ist zum Beispiel das Buch „Dangerous Book for Boys“ (cbj, München: 2009) (übersetzt von Martin Kliche) der Autoren Conn und Hal Iggulden. Dieses fordert im Grunde eine Rückkehr zu klassischen Kinderaktivitäten, so bizarr diese auch sein mögen (z.B. das Gerben von Leder). Das manche Aktivitäten auch gefährlich sein könnten, wird hierbei allerdings übersehen, um sich gegen die „Videospiele“ zu stellen. ↩︎
- Genauso ist meiner Meinung nach eines der unterschwelligen (aber präsentesten) Themen von Hideaki Anno’s Serie „Neon Genesis Evangelion (新世紀エヴァンゲリオン, Shinseiki Evangerion. 1995-1996)“, ebenso wie seines Meisterwerks „The End of Evangelion (新世紀エヴァンゲリオン劇場版 Air/まごころを、君に, Shin Seiki Evangerion Gekijō-ban: Air/Magokoro wo, Kimi ni. 1997)“, der Klimawandel und der Versuch, mit diesem umgehen zu können (z.B. durch die Erlösung im „Human Instrumentality Project“. bzw. dem „Third Impact“).
Ich behaupte hierbei allerdings nicht, dass „Evangelion“ eine reine Allegorie auf den Klimawandel ist, da es die gesamte Komplexität zunichte machen würde, welche diese Serie und die 90er-Jahre-Filme ausmacht und darum allerhöchstens als Aspekt anzusehen ist. Ich werde mich hierzu aber nicht weiter äußern. ↩︎
Beim zweiten Ansehen könnte man eventuell auch auf die „Eventhaltigkeit“ des Films achten, i. e., wie lange die Szenen gehen und längere Dialoge geführt werden. Das wäre allerdings nur noch ein kürzerer Zusatz. Etc..