„Das ist Ihre Dummheit!“: Raue Töne in Politik und Gesellschaft

„Das ist Ihre Dummheit!“: Raue Töne in Politik und Gesellschaft

Der Ton in der Deutschen Politik wird schärfer. Doch auch in der Öffentlichkeit bemerkt man, wie Debatten rauer werden. In diesem Artikel erfahren Sie Hintergründe und Lösungen.

Es gibt wenige Orte, welche besser von unserer Debattenkultur zeugen, als unser Bundestag: Sätze wie „Das ist Ihre Dummheit!“, „wenn sich grüne Kommunisten […] mit diesen Verbrechen solidarisieren“ oder Beleidigungen wie „eine Truppe von Landesverrätern“ oder „am Aspergersyndrom leidendes, bedauernswertes Mädchen“ gehören längst zur Tagesordnung. Der Respekt vor anderen Meinungen scheint an allen Enden des politischen Spektrums verlorenzugehen. Dass dieses Bild nicht trügt, erklärt Dr. Felix Winter, seit 2019 Abgeordneter in der Rostocker Bürgerschaft der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Volt und Referent im Landtag:

Dr. Felix Winter; Bündnis 90 / Die Grünen; Abgeordneter Bürgerschaft; Referent im Landtag

„Man merkt, dass der Ton rauer wird“

„Man merkt, dass der Ton in manchen Auseinandersetzungen rauer wird, auch zwischen den demokratischen Abgeordneten gibt es schneller mal Vorwürfe.“ Diese gingen oftmals unter die Gürtellinie oder würden dem anderen ein falsches Demokratieverständnis unterstellen, meint Winter. „Insbesondere nach der letzten Kommunalwahl in Rostock hat sich das aus meiner Sicht verschärft.“ Dies geschehe jedoch vor allem hinter den Kulissen. Denn wenn die Debatte im Landtag geführt wird, sind Entscheidungen meist bereits getroffen, und die Reden vorgefertigt.

Doch auch die öffentlichen Debatten werden zunehmend schärfer, und die Gründe sieht Winter vor allem in den jüngsten Wahlergebnissen. Denn nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg mussten die ehemaligen Regierungsparteien große Teile ihrer Stimmen einbüßen, Linkspartei und Grüne flogen teilweise aus dem Landtag. „Ich glaube die Leute haben Angst, dass es bei der nächsten Wahl sie trifft, die ihr Mandat verlieren und damit auch ihre Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten“, vermutet der Grünen-Politiker. Außerdem werde die AfD deutlich selbstbewusster, und das führe zu „emotionalen Reaktionen von den überzeugten Demokraten“, was die Debatte weiter anheize.

„Man kann auch strategisch solche Auseinandersetzungen provozieren“

Zusätzlich „kann man auch strategisch solche Auseinandersetzungen provozieren, immer in der Hoffnung, dass die anderen irgendetwas sagen, das sie am Ende bereuen“, erklärt Winter.

Radikalere politische Ansichten sind zunehmend Auslöser für eine härtere Debattenkultur. Doch dass diese Entwicklung bei weitem nicht nur die Politik betrifft, erklärt Julia Schumacher. Sie ist Deutschlehrerin am Gymnasium Reutershagen.

„Da läuft viel durcheinander, jeder möchte schnell etwas sagen und gehört werden, und dann fehlt oftmals die Struktur und die Konsensorientierung“, erzählt sie, berichtet aber auch, dass das keine neue Entwicklung sei. Schüler würden selber etwas sagen wollen, aber den anderen nicht zuhören. Schumacher ist der Meinung, dass mit der Öffnung und Demokratisierung der Gesellschaft auch viele Pflichten kommen: „Und das muss einfach geübt und vorgelebt werden, und da haben wir in der Politik nicht immer die besten Beispiele“. Dies würde durch die Medien noch verstärkt, da gerade die lauten, extremen Positionen herausgezogen würden, die besonders einschlägig, einfach, und damit verständlich seien.

Neben ihrem Unterricht betreut Schumacher auch den Wettbewerb „Jugend debattiert“. Sie lehrt Schülern, wie man respektvoll debattiert. Besonderen Wert legt sie dabei auf das Zuhören: Für sie ist es der Ursprung von Anerkennung und damit von Toleranz. Außerdem macht sie deutlich, dass es beim Debattieren nicht nur darauf ankommt, die eigene Position zu verteidigen, sondern man sich auch von den Argumenten der Gegenseite überzeugen lassen und seine Meinung ändern kann.

Für den Alltag empfiehlt Schumacher, dass man sich erst einmal zurücknehmen solle. „Man selbst hat seine Position, aber die muss man nicht sofort herausposaunen. Man kann einfach mehr beobachten, mehr wahrnehmen, und dann kann man auch, wenn der Zeitpunkt kommt, seine Meinung differenziert darlegen.“

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