Am Freitag, dem 17. November 2023, waren die 10. Klassen des Gymnasiums Reutershagens in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Das teilweise restaurierte Konzentrationslager arbeitet die Verbrechen des 2. Weltkriegs sowie der sowjetischen Besatzung danach auf.

Folgender Beitrag wird keine Information über die Ausstellung an sich enthalten. Vielmehr wird sich mein persönlicher Eindruck des Ausfluges widerspiegeln.

Hintergrund:

Im Rahmen des Geschichtsunterrichts wurden die 10. Klassen bereits über die NS-Zeit informiert. Aus persönlicher Perspektive kann ich sagen, dass eine ausführliche historische Vorbereitung erfolgt ist. Alle 10. Klassen befinden sich in der Thematik ungefähr auf gleichem Wissensstand. Der Ausflug findet parallel, also zeitlich übereinstimmend, mit der Unterrichtseinheit statt. Nachdrücklich wurden wir belehrt, wie man sich zu verhalten hat, aber auch, welche Kleidung angemessen ist. Als unangemessen werden z.B rechtsextreme, antisemitische, aber auch Hansa-Fan-Artikel eingeordnet.

Im KZ Sachsenhausen:

Nach der zweieinhalb-stündigen Busfahrt erreichten die fünf Klassen die Gedenkstätte, nahe der Hauptstadt. Als Zeichen des Respekts und der Würdigung der Opfer wurde ein Blumenstrauß vor einem der Denkmäler niedergelegt. Nach einer kurzen Besprechung hatten wir die Möglichkeit uns frei auf dem Gelände zu bewegen. Der Ausflug wurde mit einer Projektarbeit des Geschichts-Leistungskurses verbunden. Idee war es, dass die 12.Klässler uns per Audioguide von Station zu Station begleiten sollten. Die entsprechenden Dateien mussten davor bei itslearning runtergeladen werden. Mit Kopfhörern und dicken Jacken haben sich die Schüler grüppchenweise auf dem Gelände verteilt.

Zu sehen sind hier einige der Denkmäler der verschiedenen Opfergruppen. (Bild von T. Bark)

Meine Kritik:

Bereits bei den Vorbereitungen kam es zu organisatorischen Problemen: Einige 10. Klassen sollen erst am Vorabend von den runterzuladenden Audioguides erfahren haben.

Die Podcasts waren zwar sehr informativ und tiefgründig und auch die Idee des klassenübergreifenden Austauschs finde ich durchaus positiv zu bewerten, allerdings waren einige Erzählungen und Ortswechsel etwas schwierig nachzuvollziehen. Besonders wenn Erzählungen mit dem Lageplan verbunden wurden. Die Podcasts an sich hatten eine Länge von ca. 20 Minuten, wobei zu beachten ist, dass die Zeit, um die jeweilige Station zu erreichen, noch nicht einbezogen ist. Ich muss eingestehen, dass das Orientierungsproblem wohlmöglich eher dem Zeitdruck zuzuschreiben ist, als den Leistungen der 12. Klasse. Einige Schüler, die an den Aufnahmen der Podcasts beteiligt waren, unterstützten die Lehrer vor Ort. Das Engagement und auch die informative Begleitung als Audioerlebnis waren sehr sinnvoll. Wie es auch bei einigen Lehrern der Fall ist, waren manche Erzählungen leichter zu erfassen als andere. Diese Einschätzung ist selbstverständlich je nach Präferenzen der Hörer unterschiedlich.

Hierzu ist allerdings zu erwähnen, dass die Bewertung der Audios erst nach unserem Ausflug erfolgte. Ich hätte mir gewünscht, dass davor die Audios überprüft werden. Wir hatten die Auswahl zwischen mehreren Audios…Diese Freiheit ist einerseits positiv zu bewerten: Man muss keinen monotonen Erzählungen eines Mitarbeiters lauschen, sondern kann nach Belieben wechseln. Andererseits stellte sich die Frage, welcher der Audios der geeignetste ist. Am Anfang war die Auswahl etwas überfordernd, vor allem weil man sich blind auf die Leistung der 12. Klässler verlassen mussten.

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits wäre der Zeitmangel. Es war uns nicht ansatzweise möglich alle Teile der Ausstellung zu sehen. Allein die Ausstellung über medizinische Verbrechen im KZ Sachsenhausen hätte einige Stunden in Anspruch genommen, um sich mit der Thematik entsprechend ausführlich auseinandersetzen zu können. Die Planung war folgendermaßen: Zuerst sollen die Schüler den Podcast hören und so das Gelände erkunden und danach sollte es uns freigestellt sein, selbst zu wählen, welche Ausstellungen wir zusätzlich besuchen wollen. Der Zeitdruck mit dem Ziel, so viel wie möglich mitnehmen zu können, hat sich meiner Meinung nach eher kontraproduktiv ausgewirkt: Die Texte, für die Zeit blieb, sie zu lesen, konnten wir nur überfliegen. Und das ist der Thematik entsprechend nicht angebracht und dieser unwürdig. Viel zu wenig Zeit also für so ein umfangreiches Thema. Ja, ich weiß, keiner hat behauptet, die ganze NS-Geschichte innerhalb von 3 Stunden zu erfassen, aber etwas mehr Zeit wäre definitiv notwendig gewesen. Ich gebe zu, dass bei der Umsetzung Grenze gesetzt waren: von 8 Uhr bis 17:45 Uhr waren die Klassen unterwegs. Viel länger hätte man den Ausflug also nicht ausdehnen können. Wäre ein zweiter Ausflug mit speziellem Fokus auf Einzelthematiken angemessen?

Fazit:

Es ist positiv hervorzuheben, dass das Gymnasium Reutershagen überhaupt den Ausflug als einen verpflichtenden Unterrichtsbestandteil aufgenommen hat. Für viele Schüler stellte dieser Ausflug den ersten in ein KZ dar. Die Schule bietet dafür ein informatives und seriöses Umfeld, wobei auch alle Kosten übernommen wurden.

Wenn nicht von den Eltern geplant oder durch historisches Interesse entfacht, warum dann sollte ein Jugendlicher ein KZ besuchen wollen? Dabei ist es so wichtig, über die Verbrechen der NS-Diktatur zu sprechen. Ich möchte keinem Schüler einen Vorwurf machen, der davor noch nie in einem KZ gewesen ist. Ich glaube, viele verdrängen die Thematik einfach irgendwie aus ihrem Alltag, machen sich keine Gedanken darüber… Aber genau deswegen, genau wegen diesem Ausblenden ist es so wichtig, die Eindrücke vor Ort wahrzunehmen. Einmal kurz aus seiner kleinen heilen Welt gerüttelt zu werden, einmal kurz innehalten.

79 Jahre. Vor 79 Jahren wurde das KZ Sachsenhausen geräumt. Die Verbrechen der NS-Zeit sind zwei Generation von uns entfernt. In Anbetracht des aufkommenden Antisemitismus ist die Auseinandersetzung dessen wichtiger als je zuvor. Fake News und manipulative Propaganda gedeihen friedlich in den Kommentaren so mancher Socialmedia-Plattformen… Vertrauenswürdige Quellen werden benötigt, die Rechtes Gedankengut oder schlichtweg Falschinformationen im Kern ersticken!!!

Warum setzen hier nicht alle Schulen an?

„Das Land unterstützt Schulfahrten an allgemein bildenden und beruflichen Schulen zu KZ-Gedenkstätten(…)“

So schreibt es das Ministerium für Bildung und Kindertagesförderung Mecklenburg-Vorpommerns. Freunde aus anderen Schulen, teilweise älter als ich, berichten, noch nie ein KZ besucht zu haben…Hier stellt sich mir die Frage, warum nicht. Ist die Auseinandersetzung zu emotional, zu zeitaufwändig? Woran liegt es?

Schade, sehr schade. Fatal.

Was denkt ihr? Wie habt ihr den Ausflug wahrgenommen? Ein respektvoller Austausch in den Kommentaren ist durchaus erwünscht.

Solltet ihr Interesse an genaueren Informationen über die Ausstellung haben, schaut unbedingt auf der offiziellen Webseite der Gedenkstätte vorbei:

Geschichte | Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen (sachsenhausen-sbg.de)

Auch auf der Startseite des Gymnasiums Reutershagens erhaltet ihr Informationen:

Ein Teil der Geschichte von Millionen | Gymnasium Reutershagen (gymnasium-reutershagen.de)

Von Henriette

3 Gedanken zu „Ausflug der 10. Klassen ins KZ Sachsenhausen“
  1. Als wie letztes Jahr da waren, hatten wir professionelle Führung. (also keine Projektarbeit der 12.)
    Das war deutlich informativer (aber nicht unbedingt spannender). Würde ich in der Zukunft wieder mit Führung empfehlen, da die 12. mögl. sogar Falschinformationen geben könnten.

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