Angst vor drei Monaten von zuhause weg? 

Angst vor drei Monaten von zuhause weg? 

Drei Monate in Frankreich leben, drei Monate einen französischen Schüler bei sich aufnehmen. So lautet das Angebot Brigitte Sauzay für die Neuntklässler unserer Schule. Dafür verantwortlich ist die binationale Organisation Deutsch-Französisches Jugendwerk (DFJW). Unsere Schule nimmt am Austauschprogramm Brigitte Sauzay teil und auch der Französischunterricht behandelt, wie ein Schüleraustausch nach Frankreich abläuft und wie man dort zurechtkommt.

Das Angebot hierbei ist sehr simpel: Im Frühjahr der 9. Klasse ist ein französischer Schüler drei Monate in Deutschland und im Herbst Anfang der 10. Klasse geht der deutsche Schüler drei Monate zu dem Austauschpartner nach Frankreich. Dabei wird in den jeweiligen Gastfamilien für den fremden Schüler gesorgt wie für ein weiteres Geschwisterkind und das Geld für die Hin- und Rückreisen kann zurückerstattet werden, insofern ein Bericht geschrieben wird. Das bedeutet, insgesamt heben sich die Kosten beider Familien auf. Und das ist nur einer von vielen Pluspunkten für den Austausch, aber dennoch gab es dieses Jahr nur zwei Schülerinnen aus Klassestufe 9, die sich letztendlich angemeldet haben. Um die Frage zu klären, woran das liegen könnte, habe ich mich mit mehreren unserer Französischschüler unterhalten. Am Austausch interessiert waren Franz aus der 10/12 sowie Merle aus der 9/2. Aber um vor allem herauszufinden, warum das Angebot so wenig genutzt wird, sprach ich auch mit Schülern, die sich dagegen entschieden haben wie Elina (9/1), Ella (9/2) und Emil (10/12). Zudem habe ich mir die Meinung einer unserer Französischlehrerinnen Frau von Lukowicz eingeholt.  

„Es ist eine große Chance, dazuzulernen“

Zu Anfang hat mich Franz davon überzeugt, wie großartig diese Möglichkeit vom Austausch ist. Gerade ist er seit etwas mehr als einem Monat in La Rochelle bei seinem correspendant, wie auf Französisch Austauschpartner ausgedrückt wird. Er redete davon, es als Herausforderung zu sehen, sich allein drei Monate im Ausland zurechtzufinden und auch seine Sprachkenntnisse zu verbessern. „Ich empfehle es jedem und vor allem wenn Schüler noch unsicher in Französisch sind, ist es eine große Chance, dazuzulernen und Französisch sprechen zu üben und dabei so gut wie nichts zu bezahlen“, so Franz. 

Als ich dann mit Frau von Lukowicz redete, wurde ich ziemlich überrascht. Sie erklärte mir, dass zwei Anmeldungen gar nicht ungewöhnlich seien. Typisch wären nur ungefähr ein bis fünf Schüler pro Jahr, wobei fünf bereits sehr gut sei. Auch Frau von Lukowicz konnte nicht klar benennen, warum von bis zu 20 Französischschülern in einem Jahrgang nur so eine geringe Anzahl teilnimmt. Sie zählte vielfältige Gründe einzelner Schüler auf, um trotz Begeisterung nicht mitmachen zu können. Manche haben Platzprobleme oder wollen sich nicht für drei Monate ein Zimmer mit jemanden teilen, den man kaum kennt. Ebenso kommt der Schüler nicht weit, wenn die Eltern dagegen sind. Denn letztendlich kann kein Austausch ermöglicht werden ohne Unterstützung der Familie, die zwingend involviert ist, wenn ein weiterer Teenager bei ihnen lebt. An unserer Schule gibt es auch viele Schüler, die weiter weg von Rostock leben und sich sorgen, dass der potenzielle Austauschpartner damit nicht zurechtkommen könnte oder dass man ihm oder ihr mitten im Nirgendwo nichts bieten könne. Also gibt es viele Probleme trotz grundlegendem Interesse der Schüler. Frau von Lukowicz versicherte mir, dass sie und ihre Kollegen viel dafür tun, einen Austausch für Interessenten zu ermöglichen trotz solcher Hindernisse. Interesse, kein Bedarf – kein Austausch

Kein Interesse, kein Bedarf – kein Austausch

Aber es gibt auch Französischschüler, die kein Interesse oder Bedarf haben. Manche Schüler sind mit ihrem Alltag zufrieden und wollen diese Erfahrung nicht, wollen sich nicht drei Monate auf ein komplett neues Leben einlassen. Besonders Schüler die etwa Leitungssport betreiben sind eher vom Austausch abneigt, weil sie ihre Routinen in Deutschland nicht pausieren wollen.

Auch wenn generell Sprachen nicht im Interessenbereich liegen und die Schüler keine Motivation haben Französisch zu lernen, wird der Austausch nicht einmal in Betracht gezogen. Zudem befürchten leistungsschwächere Schüler, nach dem Aufenthalt in manchen Fächern hinterherzuhängen. Auch für sogenannte „Gewohnheitstiere“ wirkt ein Austausch nicht verlockend, bei dem man drei Monate in einem fremden Land, einer fremden Familie in einer fremden Sprache lebt. Viele Gründe lassen sich bei jedem Schüler individuell finden, warum der Schüleraustausch keine gute Idee ist. Warum überwiegen die negativen Punkte bei den meisten der Schüler in den Französischkursen?

In meinen Gesprächen ist mir aufgefallen, dass Unsicherheit eine große Rolle spielt. Bei manchen ist das dann mehr und bei manchen weniger auffällig. Unsicherheiten bestehen im sprachlichen Bereich, obwohl viele auch meinten, eigentlich genug vorbereitet worden zu sein, wie auch Frau von Lukowicz erachtete. Vielmehr haben die Schüler auch Respekt vor dem Sprung ins Ungewisse. Fragen wie „Werde ich meinen Austauschpartner überhaupt mögen?“ oder „Werde ich in Frankreich überhaupt akzeptiert werden?“ verstärken Unsicherheiten. Für Viele ist es einfacher, nicht diesen Schritt zu machen und sich auf etwas Neues, etwas Fremdes einzulassen. Denn es besteht ja theoretisch die Chance, dass man nicht mit dem Austauschpartner klarkommt oder in Frankreich Heimweh erleidet. Solche Unsicherheiten zu minimieren ist auch für Lehrer schwierig, selbst wenn bereits teilgenommene Schüler Vortrage über ihre unvergesslichen Erfahrungen halten.

Lehrer unterstützen den Austausch

Dabei, Unsicherheiten zu überwinden, helfen Französischlehrer. Denn wie mir Frau von Lukowicz erzählte, macht sie viel um den Austausch für jeden Interessenten zu verbessern wie zum Beispiel mit Fachlehrern zu reden, die Kommunikation mit französischen Gastfamilien zu erleichtern oder auch deutschen Familien Bedenken zu nehmen. Im Französischunterricht ist dazu auch Zeit, den Austausch vorzustellen, Raum für Fragen zu bieten, sowie auf mögliche Situationen vorzubereiten und ältere Schüler von ihren Erfahrungen erzählen zu lassen. Von Lehrerseite aus ist jeder Schüler vorbereitet, um drei Monate in Frankreich zurechtzukommen und sie informieren auch über die Optionen und versuchen, Interesse zu wecken. Der endgültige Schritt ins Ungewisse liegt dann bei dem Schüler und der dazugehörigen Familie.

Nach dem Reden mit den Schülern und Frau von Lukowicz hat sich herausgestellt, dass es keinen einfachen Grund gibt, warum nur wenige Schüler am Austausch nach Frankreich teilnehmen. Denn die Schüler haben grundlegend Interesse und jeder Teilnehmer erzählt danach von seinen unvergesslichen Erfahrungen. Nur hat eben auch jeder Schüler eigene Probleme und es ist einfacher, sich nicht auf etwas Neues einzulassen.

Wir haben Wege über die Sprache hinaus gefunden“

Auf jeden Fall lässt sich sagen, dass der Schüleraustausch eine großartige Möglichkeit bietet, sich nicht nur sprachlich, sondern auch persönlich weiterzuentwickeln. Jemanden für drei Monate aufnehmen, sich drei Monate auf einen neuen Alltag einlassen und dabei Erfahrungen sammeln und Sprachkenntnisse verbessern – das ist Brigitte Sauzay. In der neunten Klasse im Französischkurs bekommt jeder die Möglichkeit diese einmalige Chance zu nutzen. Letztendlich liegt die Entscheidung bei jedem selbst.

„Mein Austauschpartner konnte kaum Deutsch als er hier ankam. Aber er hatte mit meiner Familie und mir viel unternommen und dann hat sich das geändert. Wir haben Wege über die Sprache hinaus gefunden, uns anders zu verstehen. Am Ende hatten wir eine super schöne Zeit zusammen. Ich kann das jedem empfehlen!“

Franz über seine Erfahrungen mit seinem Austauschpartner

Titelbildquelle: Pixabay

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